Yukos-Verfahren: der Hoge Raad hat entschieden

Recht Russland Wirtschaft

Von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt ist im November des letzten Jahres eines der aufsehenerregendsten Schiedsverfahren der letzten Jahre formal zwar in eine weitere Runde gegangen, inhaltlich aber weitgehend abgeschlossen worden. Hintergrund war die Eröffnung eines Bankrott-Verfahrens gegen die Yukos Oil Company im Jahr 2006 wegen rückständiger Steuerzahlungen. Die ehemaligen Eigentümer von Yukos hatten auf der Grundlage des Energie-Charta-Vertrages vor dem Schiedsgerichtshof in Den Haag gegen die Russische Föderation auf eine Entschädigung wegen einer unrechtmäßigen Enteignung geklagt. Daraufhin hatte das Schiedsgericht den Klägern eine Entschädigung von zusammen knapp 50 Mrd. US-Dollar zugesprochen. Gegen diesen Schiedsspruch hatte die Russische Föderation vor dem zuständigen staatlichen Gericht in Den Haag erfolgreich Aufhebungsklage erhoben.[1] Hiergegen wandten sich die ursprünglichen Kläger, denen das Berufungsgericht in Amsterdam Recht gab. Gegen dieses Urteil legte die Russische Föderation Revision vor dem Obersten Gericht der Niederlande, dem Hoge Raad, ein. Dieser hat mit Urteil vom 5.11.2021 die wesentlichen von der Russischen Föderation für eine Aufhebung des Berufungsurteils vorgebrachten Gründe zurückgewiesen und die Sache lediglich zur Klärung einer Tatsachenfrage zur erneuten Entscheidung vor dem Appellationsgericht zurückverwiesen.[2]

Die beiden zentralen rechtlichen Fragen waren, ob eine Klage überhaupt auf den Energie-Charta-Vertrag gestützt werden konnte, da dieser Vertrag für die Russische Föderation lediglich vorläufig anwendbar war, ihn das russische Parlament aber niemals ratifiziert hatte. Das zweite Argument war darauf gestützt, dass es sich bei den Klägern nur formal um ‚Investoren‘ im Sinne der Charta gehandelt habe. Tatsächlich seien es aber russische Staatsbürger, die die Anteile an Yukos im Zuge der Privatisierung erworben hätten. Deren Schutz würde aber nicht vom Zweck der Charta umfasst.

Das Oberste Gericht der Niederlande hat beide Argumente zurückgewiesen. Bei der Frage, ob sich die vorläufige Anwendbarkeit auch auf die Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit bezieht, prüft der Hogue Rad, ob dies mit dem Recht der Russischen Föderation unvereinbar sei. Er schließt aus dem Umstand, dass das Russische Recht eine solche Unterwerfung des Staates unter die Schiedsgerichtsbarkeit grundsätzlich kennt, eine Unterwerfung im konkreten Fall durch die vorläufige Anwendbarkeit mit dem russischen Recht vereinbar ist (Pt.5.2.1. ff).

Bei der Frage nach der Auslegung des Begriffs des ‚Investors‘ folgt das Gericht einer streng am Wortlaut orientierten Auslegung, die allein an den Sitz des Investors anknüpft. Ein Erfordernis, wonach eine Investition einen ökonomischen Beitrag in die Wirtschaft des Gastlandes voraussetze, könne weder dem Vertragstext noch anderen Urteilen entnommen werden (5.3.1. ff).

Zwingend erscheinen nach hier vertretener Auffassung beide Argumentationslinien nicht. Insbesondere eine Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit in allgemeiner Form hätte nach russischem Recht auch eines generellen Rechtsaktes in der Form eines Gesetzes bedurft.  Aber die Sache ist entschieden und das Oberste Gericht hat die beiden zentralen Fragen im Sinne der Kläger beantwortet. Die Zurückweisung an das Berufungsgericht erfolgte aufgrund des Umstands, dass das Berufungsgericht den Einwand der Täuschung, der von der Russischen Föderation in diesem Verfahren erhoben worden war, nicht geprüft hat. Dies erneut zu prüfen hat das Oberste Gericht dem Appellationsgericht aufgegeben. Dass sich hierdurch inhaltlich etwas ändert, steht nicht zu erwarten.             

 

[1] Schramm Staatliches Gericht hebt Schiedsspruch im Yukos-Verfahren auf, SchiedsVZ 2016, S. 314

[2] https://www.courthousenews.com/wp-content/uploads/2021/11/dutch-yukos-ruling.pdf

Fotoquelle: www.comandir.com

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