Von der Bedeutung der Kontrahentenprüfung

Recht Russland

Maria Kirilova, Rödl & Partner

Das Oberste Gericht der Russischen Föderation hat in seinem Beschluss vom 8.7.2021 betreffend ein Insolvenzverfahren auf die Bedeutung der Kontrahentenprüfung hingewiesen.

Der Entscheidung lag folgender Fall zu Grunde: Ein Tag nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner einen Agenturvertrag über die Nutzung und die Verwaltung des Gebäudes abgeschlossen, das seinen wichtigsten Vermögenswert darstellte und später in die Insolvenzmasse aufgenommen wurde. Der Insolvenzverwalter des Schuldners hat diesen Vertrag im Rahmen des Insolvenzverfahrens mit der Begründung angefochten, dass sein Zweck in der Vermögensverlagerung bestanden hatte. Das Gericht der ersten Instanz hat der Forderung des Klägers stattgegeben. Das Berufungs- und das Kassationsgericht haben jedoch anders entschieden und beschlossen, dass ein unparteiischer Agent über die bei dem Schuldner vorhandenen Insolvenzanzeichen nicht wissen konnte.

Das Oberste Gericht der Russischen Föderation hat indes erläutert, dass bei den zu einer Verdacht erregenden Zeit zustande kommenden Geschäften, deren Gegenstand der wichtigste Vermögenswert des Schuldners ist, besondere Aufmerksamkeit geboten ist, und schloss sich der Position des Gerichts der ersten Instanz an. Die Richter haben angemerkt, dass der Alleingesellschafter des Schuldners und der Agent solche Verträge auch in der Vergangenheit abgeschlossen hatten und somit eine langfristige geschäftliche Beziehung unterhielten. Angesichts dieser Tatsache, des Geschäftsmaßstabes (umfassende Betreuung eines Einkaufszentrums) und der Unterzeichnung einer Zusatzvereinbarung über die Erhöhung des Honorars des Agenten um das Vierhundertfache bereits einen Tag nach dem Vertragsabschluss, musste dieser ausgehend vom Redlichkeits- und Vernünftigkeitsprinzip die Aktivitäten des Schuldners mithilfe von öffentlich zugänglichen Informationsquellen überprüfen.

So eine Quelle wäre in diesem Fall die Kartei von Arbitragesachen kad.arbitr.ru gewesen, in der die Angaben zum Antrag auf Erklärung des Schuldners für insolvent zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits registriert worden sind. Diese Tatsache bedeutet nicht per se, dass jeder Gläubiger über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner wissen muss. Dieser Umstand kann allerdings mitberücksichtigt werden, wenn der Charakter des Rechtsgeschäfts, die Identität des Gläubigers und die Geschäftseinzelheiten eine Prüfung des Schuldners, unter anderem unter Einbeziehung dieser Kartei, erforderlich machen, so die Position des Obersten Gerichts.

Der Meinung des Obersten Gerichts nach schließt die Unterlassung einer solchen Prüfung durch den Geschäftspartner, mit anderen Sachumständen zusammen betrachtet (beispielsweise ungewöhnliches Verhalten der Geschäftsparteien: der Agent erstattete an den Schuldner keine Berichte über die Erfüllung seiner Verpflichtungen während der Vertragslaufzeit, und der Auftraggeber stellte an den Agenten keine Anfragen hinsichtlich der Umsetzung der Vereinbarung), jedwede begründete Zweifel aus, dass der Agent beim Vertragsabschluss über die Finanzlage des Schuldners im Klaren war.

Ob man mit der in diesem Beschluss dargelegten Position des Obersten Gerichts Russlands einverstanden ist oder nicht, zeigt dieser jedenfalls noch einmal die Wichtigkeit der Prüfung von Geschäftspartnern.

Quelle: Beschluss des Obersten Gerichts der Russischen Föderation Nr. 308-ES18-14832(5) vom 8. Juli 2021

Fotoquelle: www.minfin.com.ua

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