"Und wo sind jetzt die drei `Gentlemen´ aus dem Westen?" - die russische Presse zur Ukraine

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Der liberal-wirtschaftsorientierte "Kommersant" schreibt zu den Ereignissen in der Ukraine:

Die Reaktionen auf die Rede von Julia Timoschenko auf dem Maidan waren gemischt. Viele Aktivisten waren enttäuscht, dass sich die "orange Prinzessin" den Sieg der Opposition zu eigen machen will - sie gilt als Politikerin der Vergangenheit. Das politische Umfeld wird trotzdem von ihr neu formatiert. So wurde ihr engster Vertrauter Turchinov zum Interimspräsidenten. Die Opposition wird schon bald mit vielen Problemen konfrontiert werden. Die wichtigste Frage ist, ob es gelingt, den Maidan aufzulösen. Ein normaler politischer Prozess ist unmöglich, wenn hunderte von bewaffneten Menschen im Regierungsviertel stehen. Die Ukraine steht ferner kurz vor der Pleite. Russland hat zunächst die Entscheidung über die weitere Kreditvergabe auf Eis gelegt. Die EU hat zwar eine Finanzhilfe versprochen. Es wird allerdings schwierig, z.B. Griechenland zu erklären, wo die EU plötzlich Finanzmittel für ein "fremdes" Land gefunden hat.

 

Wesentlich kritischer werden die Ereignisse in der regierungsnahen "Rossiskaja Gazeta" beurteilt:

Das vergossene Blut hat das Land endgültig gespalten. Und Janukovitsch ist Mitautor des erfolgreichen Machtstreiches. Janukovitsch zögerte und weigerte sich, Entscheidungen zur Verhinderung des Staatsstreichs zu treffen. Somit verriet er seine Wähler und Unterstützer.

Janukovitsch legte das Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis und versuchte, bei dem Westen zusätzliche Konzessionen zu verhandeln. Doch anstatt der Finanzhilfe ist auf der ukrainischen Politszene eine bezahlte und gut organisierte Kraft - der Rechte Sektor - erschienen. Offenbar schien es für die Ideologen des Machtwechsels in der Ukraine billiger zu sein, die Radikalen zu bezahlen, als mit Janukovitsch über die neuen Kredite zu verhandeln.

Und wo sind die drei Gentlemen - die Vertreter von Frankreich, Deutschland und Polen -, die die Vereinbarung zwischen Janukovitsch und der Opposition über die friedliche Lösung der Krise unterzeichnet haben? Sie begrüßen den Machtwechsel. Aber die Bedingungen der Vereinbarung haben sie bereits vergessen.

 

Das Massenblatt "Moskovskij Komsomolez" meint zu den Ereignissen in Kiev:

Der erste erfolgreiche Staatsstreich in Europa seit 47 Jahren. Letztes Mal wurde eine demokratisch gewählte Regierung in Europa im Jahr 1967 gestürzt, als in Grichenland das Regime der "schwarzen Oberst" an die Macht kam. Janukovitsch wurde gestürzt. Er ist aber vor allem selber Schuld.

Viele jubeln, dass die Ukraine aus dem Einflussbereich von Russland heraustritt. Dies geschah allerdings bereits einmal vor 10 Jaren. Und wo sind die Helden der "Orangenen Revolution" jetzt? Die engen Verbindungen zwischen der Ukraine und Russland sind dagegen geblieben. Was macht die neue ukrainische Führung mit den bewaffneten Extremisten und Radikalen auf dem Maidan? Was macht die  Führung mit der Ostukraine, wo die Ideen von Extremisten aus der Westukraine keine Unterstützung finden. Ist der Westen bereit, in die ruinierte urkainische Wirtschaft mehrere Milliarden Euro und Dollars zu investieren. Die Fragen sind offen. Klar ist nur, dass Russland und die Ukraine Nachbarn mit einer gemeinsamen Geschichte bleiben.

 

Der Kommentator der russischen staatlichen TV-Sendung RTR Vladimir Soloviev meint zu der Lage in der Ukraine:

In der Ukraine ist eine Tragödie, weil rund Hundert Menschen ums Leben kamen, ein Bürgerkrieg möglich ist, weil die heutigen politischen Führer Dreck am Stecken haben bzw. menschenfeindliche Ideen von Stephan Bandera vertreten.

Das einzige Wort, das die Taten von Janukovitsch beschreiben kann, ist Verrat. In erster Linie verriet er seine Wähler in der Ostukraine, die von ihm wirtschaftliche Reformen erwarteten. Ohne den "Rechten Sektor" hätte der friedliche Widerstand schneller den Erfolg erreicht. Die Ostukraine ist nicht für Janukovitsch, sondern gegen die Bandera-Anhänger aufgestanden. Ob die Ostukraine unter der Führung der Westukraine zu leben bereit sein wird, ist fraglich. Der Philosoph Ivan Iljin hielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen solchen einheitlichen Staat für unmöglich.

Fotoquelle: www.newsmoldova.ru

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