Russisches Verfassungsgericht untersagt Umsetzung einer Entscheidung des EuGMR zum Wahlrecht Strafgefangener

Recht Russland

Im Dezember 2015 hat die Duma mittels Änderung des Gesetzes über das Verfassungsgericht diesem die Kompetenz zugespochen, über die Vollstreckbarkeit von Enscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EuGMR) in Russland zu befinden (vgl. Beitrag vom 16.12.2016).

Auf Antrag des Justizministers der RF hatte das Verfassungsgerichts nunmehr in dem Verfahren Anchugov und Gladkov gegen die Russische Föderation erstmals im Rahmen eines solchen Verfahrens zu befinden. Mit Urteil vom 4.Juli 2013 hatte der EuGMR festgestellt, dass eine gesetzliche Regelung, die allen Strafgefangenen unabhängig von der Art des Vergehens oder der Länge des Freiheitsentzugs das Recht zur Teilnahme an Wahlen entzieht, unverhältnismäßig sei. Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass der Grundsatz, nach dem zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte kein Wahlrecht haben, in Art. 32 Abs.3 der Russischen Verfassung niedergelegt ist. Der EuGMR akzeptierte diesen Hinweis aber nicht, betonte den zwingenden Charakter der Europäischen Menschenrechtskonvention und legte den Russischen Behörden nahe, bis zu einer Änderung der Verfassung diese im Lichte der Entscheidung des EuGMR auszulegen.

Das Verfassungsericht der RF erklärt diese Entscheidung mit Beschluss vom 19.4.2016  für nicht vollstreckbar. Eine Anpassung der Gesetze sei nicht möglich,weil insofern der Wortlaut der Verfassung eindeutig sei. Eine Verpflichtung, die Verfassung selber anzupassen ergebe sich auch bei der gebotenen wechselseitigen Berücksichtigung der EMRK und der nationalen Verfassungstraditionen nicht, da es auf der Ebene der Mitgliedstaaten keine einheitliche Handhabung der Frage der Entziehung des Wahlrechtes bei Strafgefangenen gebe. Schließlich bedürfe es auch der von dem Gerichtshof angeregten Auslegung unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht, da es nach russischem Straf- und Strafvollzugsrecht nur in den Fällen schwerer Straftaten zu einer Freihheitsentziehung im Sinne des Art. 32 Abs.3 VerfRF käme. Haft aufgrund einfacherer Vergehen werde bereits begrifflich nicht von dieser Bestimmung erfasst. Zudem hätten sich die Kläger im Ausgangsverfahren schwerster Verbrechen schuldig gemacht, so dass auch unter Anlegung der Maßstäbe des EuGMR in diesem Fall die Zubilligung eines Wahlrechts ausscheide.     

Quelle: http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_197028/

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