Kündigung auf Vereinbarung der Parteien

Recht Russland

Vera Giryaeva, Rödl & Partner Russland

Die Kündigung auf Vereinbarung der Parteien, die durch Punkt 1, Teil 1, Artikel 77 des Arbeitsgesetzbuchs der Russischen Föderation vorgesehen ist, ist eine Kündigung, die von beiden Parteien der Arbeitsverhältnisse gewünscht wird. In der Praxis werden jedoch auch Kündigungen auf dieser Grundlage vor Gericht angefochten. In diesem Artikel wird analysiert, was in der Aufhebungsvereinbarung festgelegt und wie die Kündigung durchgeführt werden muss, damit die Risiken im Zusammenhang mit gerichtlichen Klagen und Wiedereinstellung minimiert werden.

1. Aufhebungsvereinbarung.

Das russische Arbeitsgesetzbuch (ArbGB RF) sieht keine bestimmte Form der Aufhebungsvereinbarung vor und in der Praxis finden sich Fälle, in denen der Arbeitnehmer einen Antrag mit der Bitte schreibt, ihm auf Vereinbarung der Parteien zu kündigen, und eine verantwortliche Person des Arbeitgebers diesen Antrag genehmigt. Auf Grundlage des genehmigten Antrags wird die Kündigung gemäß Punkt 1, Teil 1, Artikel 77 ArbGB RF in Kraft gesetzt.

Es wird jedoch empfohlen, die Aufhebungsvereinbarung in Form einer vollwertigen Vereinbarung zu erstellen, in der die Angaben über die Parteien, das vereinbarte Kündigungsdatum und Bestimmungen über Auszahlungen an den Arbeitnehmer festgelegt werden. 

Wenn die Parteien die Auszahlung einer Abfindung an den Arbeitnehmer vereinbaren (was keine Voraussetzung für die Kündigung auf dieser Grundlage ist), wird es empfohlen, die Höhe der Abfindung in einer gesonderten Bestimmung der Vereinbarung festzulegen, sodass die Abfindung von den Beträgen der endgültigen Abrechnung des Gehalts und der Entschädigung für den nicht in Anspruch genommenen Jahresurlaub getrennt wird. Falls in der Vereinbarung alle Auszahlungen in einem Betrag angegeben werden, kann das Gericht diese Auszahlung als Abfindung einstufen und den Arbeitgeber verpflichten, dem ehemaligen Arbeitnehmer zusätzlich die Entschädigung für nicht in Anspruch genommenen Jahresurlaub und die endgültige Abrechnung des Gehalts zum Tag der Kündigung zuzüglich Zinsen für die verspäteten Zahlungen gemäß Artikel 236 ArbGB RF auszuzahlen.

2. Erforderlichkeit der unveränderliche Willen beider Parteien für die Vereinbarung

Das Oberste Gericht der Russischen Föderation hat im Beschluss des Plenums Nr. 2 „Über die Anwendung des Arbeitsgesetzbuchs der Russischen Föderation durch die Gerichte der Russischen Föderation“ vom 17.3.2004 darauf hingewiesen, dass, wenn die Parteien eine Aufhebungsvereinbarung gemäß Punkt 1, Teil 1, Artikel 77 ArbGB RF geschlossen haben, „die Annullierung der Vereinbarung in Bezug auf die Frist und Grundlage der Kündigung nur im gegenseitigen Einvernehmen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers möglich ist“.

Bei der Verhandlung konkreter Fälle richten sich die Gerichte jedoch nach den arbeitsrechtlichen Prinzipen des Schutzes der Arbeitnehmerrechte und unterstützen den Arbeitnehmer. Wenn der Arbeitnehmer seinen Beschluss ändert, kann das Gericht entscheiden, dass das Einvernehmen zwischen den Parteien nicht erreicht wurde, und somit die erfolgte Kündigung als Kündigung auf Initiative des Arbeitgebers einstufen (Beschluss Nr. 88-23332/2020 des Ersten Kassationsgerichts der allgemeinen Gerichtsbarkeit vom 9.11.2020). Bei der Änderung der Kündigungsgrundlage zur Kündigung auf Initiative des Arbeitgebers (Artikel 81 ArbGB RF) gelten spezielle arbeitsrechtliche Garantien, z.B.  Artikel 261 ArbGB RF, der die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin auf Initiative des Arbeitgebers verbietet. Artikel 81 verbietet auch die Kündigung des Arbeitnehmers auf Initiative des Arbeitgebers während des Urlaubs oder der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers.

3. Folgendes noch zu beachten

Bei der Verhandlung von Sachen über die Kündigungen auf Vereinbarung der Parteien berücksichtigt das Gericht folgende Umstände: Ob der Arbeitnehmer freiwillig und bewusst gehandelt hat; ob der Arbeitnehmer die Folgen der Unterzeichnung der Vereinbarung verstanden und ob der Vertreter des Arbeitgebers ihm diese Folgen erläutert hat; worin der Grund des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung liegt (Beschluss des Kirowskij-Bezirksgerichts der Stadt Saratow vom 16. März 2021 in der Sache Nr. 2-897/2021). Daher wird es empfohlen, in der Vereinbarung festzulegen, dass der Arbeitnehmer diese freiwillig und bewusst unterzeichnet hat und ihm die Folgen der Unterzeichnung erläutert wurden.

4. Kündigung auf Vereinbarung der Parteien statt Kündigung auf einer „Disziplinargrundlage“ oder Kündigung im Zusammenhang mit Stellenabbau

Das Arbeitsgesetzbuch und die Rechtsprechung sehen kein direktes Verbot für den Arbeitgeber vor, Verhandlungen mit dem Arbeitnehmer zu führen und diesem die Kündigung auf Vereinbarung der Parteien anstatt der Kündigung auf Initiative des Arbeitgebers z.B. gemäß Punkt 5, Teil 1, Artikel 81 ArbGB RF („mehrfache Nichterfüllung der Arbeitspflichten des Arbeitnehmers ohne triftigen Grund, soweit bereits eine Disziplinarmaßnahme angewendet wurde“) oder Punkt 2, Teil 1, Artikel 81 ArbGb RF („Stellenabbau oder Kürzung des Personals einer Organisation oder eines Einzelunternehmers“) anzubieten. Diese Verhandlungen sind jedoch unter Berücksichtigung aller vorstehenden Empfehlungen ohne Verletzung der Arbeitnehmerrechte zu führen.

Bezeichnend ist hier der Beschluss Nr. 88-10393/2021 des Sechsten Kassationsgerichts der allgemeinen Gerichtsbarkeit vom 27.5.2021 in der Sache über die Erklärung einer Aufhebungsvereinbarung für ungültig, Wiedereinstellung, Beitreibung des Durchschnittsverdienstes für die Zeit des unverschuldeten Arbeitsausfalls, Entschädigung von moralischem Schaden sowie Entschädigung der vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit.

Das Gericht hat festgestellt, dass der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin angeboten hat, eine Aufhebungsvereinbarung anstatt der Kündigung wegen Stellenabbaus zu schließen. Die Arbeitnehmerin hat zugestimmt, unter der Bedingung der Auszahlung einer Abfindung in Höhe von drei Monatsgehältern, was in ihrer Kündigungserklärung deutlich gemacht wurde. Am Tag der Kündigung wurde der Arbeitnehmerin jedoch keine Abfindung gezahlt, weil die verantwortliche Person des Arbeitgebers diese Auszahlung nicht genehmigt hat, worüber die Arbeitnehmerin erst nach der Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung informiert wurde. Der Arbeitgeber ist auch der Bitte der Arbeitgeberin nicht nachgekommen und hat dieser ihre Erklärung über die Kündigung auf Vereinbarung der Parteien, in der ihre Forderung auf Auszahlung der Abfindung im Falle der Kündigung dargelegt wurde, nicht zurückgegeben. Die Arbeitnehmerin ging davon aus, dass die Abfindung später ausgezahlt wird, hat jedoch keine entsprechenden Zahlungen erhalten und musste sich an das Gericht wenden.

Das Gericht der ersten Instanz hat den Arbeitgeber unterstützt, aber die zweite Instanz beschloss, dass der Sachverhalt nur formal untersucht wurde und das Gericht keine ordnungsgemäße juristische Einschätzung u.a. der Täuschung der Arbeitnehmerin durch den Arbeitgeber und der Nichterfüllung der geschlossenen Aufhebungsvereinbarung zu gegenseitig vorteilhaften Bedingungen seitens des Arbeitgebers gegeben hat. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung an das Gericht der ersten Instanz zurückverwiesen.  Die Tatsache, dass die Kündigung auf Vereinbarung der Parteien anstatt der Kündigung auf einer anderen Grundlage angeboten wurde, führte nicht zu Einwendungen des Gerichts, es kann jedoch angenommen werden, dass bei der Neuverhandlung ein Beschluss zugunsten der Arbeitnehmerin gefasst wird.

Fotoquelle: www.legalmap.ru

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