Gemeinsame Nutzung von Preis-Aggregatoren als Beweis eines Kartells

Recht Russland

Alexandra Nechaeva, Rödl & Partner Moskau

Es ist kein Geheimnis, dass viele Unternehmer auf dem Markt präsente multifunktionelle Online-Dienste für die Kontrolle der Marktpreise wie z.B. Z-Price nutzen. In einer der jüngsten Sachen hat der Föderale Antimonopoldienst (im Folgenden „FAS Russlands“) ein Kartell unter sechs russischen Gesellschaften (im Folgenden „Gesellschaften“) festgestellt, die im Großhandel mit orthopädischen Produkten tätig sind und einen solchen Aggregator nutzen. Es ist anzumerken, dass die Nutzung von Preis-Aggregatoren selbst keine Ordnungswidrigkeit darstellt. Als Ordnungswidrigkeit können darauffolgende (gemeinsame) Handlungen der Unternehmer mit Daten gelten, die mithilfe des Preis-Aggregators erhoben wurden.

Sachverhalt

Beim FAS Russland ist eine Beschwerde über die Anzeichen einer kartellrechtlichen Ordnungswidrigkeit eingegangen. Bei der Durchführung außerplanmäßiger Prüfungen in den Gesellschaften durch die Kartellbehörde sowie im Zuge der weiteren Prüfung der Sache durch die Kommission des FAS Russlands wurden Materialien erhalten (elektronische und Informationsschreiben, firmeninterner Schriftverkehr), die belegen, dass die Gesellschaften bei ihrer Tätigkeit auf dem Markt für Großhandel mit orthopädischen Erzeugnissen eine wettbewerbswidrige Vereinbarung geschlossen und umgesetzt haben, die auf die Festlegung und Aufrechterhaltung der empfohlenen Einzelhandelspreise für ihre Produkte ausgerichtet war. Dabei haben die Beklagten auch Einschränkungsmaßnahmen (Sanktionen) in Form der Einstellung von Warenversendungen bis zu einem Monat für die verstoßenden Geschäftspartner im Falle der Nichteinhaltung der empfohlenen Preise vorgesehen. Im Rahmen des Verfahrens hat der FAS Russlands vor der Einleitung des Verfahrens zwei Jahre der Tätigkeit der Gesellschaften analysiert.

Beweis eines Kartells

Im Punkt 9 der Übersicht des Obersten Gerichts der Russischen Föderation zu Fragen der Rechtsprechung in den Sachen über den Wettbewerbsschutz und Sachen über Ordnungswidrigkeiten in diesem Bereich vom 16. März 2016 hat das Oberste Gericht darauf hingewiesen, dass das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung nicht von ihrem Abschluss gemäß den zivilrechtlichen Regeln, einschließlich Anforderungen an die Form und den Inhalt der Rechtsgeschäfte, abhängig ist und u.a. unter Verwendung anderer Beweise, insbesondere des faktischen Verhaltens bewiesen werden kann.

Auf das Vorliegen der wettbewerbswidrigen Vereinbarung unter den Gesellschaften deutete Folgendes hin:

  • Die Mitarbeiter der Gesellschaften führten elektronischen Schriftverkehr über die Feststellung der unter dem minimalen Einzelhandelspreis liegenden Preise bei den Geschäftspartnern und über die Ergreifung von Gegenmaßnahmen in Form der Einstellung der Warenlieferungen bis zur Erhöhung der Preise durch die Geschäftspartner auf das empfohlene Niveau;
  • Die Gesellschaften übten die gemeinsame Kontrolle über die Einhaltung der empfohlenen Mindestpreise durch die Geschäftspartner aus und versendeten E-Mails über die notwendige Einhaltung der empfohlenen Mindestpreise;
  • Die Gesellschaften wussten von der Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahmen (Teilnahme am Kartell) zur Kontrolle der Preise durch Einstellung der Warenversendungen im Falle der Nichteinhaltung der Anforderungen durch die Geschäftspartner;
  • Die Gesellschaften nutzten denselben Preisalgorithmus Z-Price, der die Echtzeit-Verfolgung von Preisänderungen für bestimmte Warengruppen mit detaillierten Berichten über die Preisänderungen ermöglicht;

Nach Auffassung des FAS Russlands, die durch die Arbitragegerichte der ersten und zweiten Instanz bestätigt wurden, kann die Wahl desselben Monitoringsystems seitens der Gesellschaften durch die gemeinsame Verhaltensstrategie auf dem Markt sowie die notwendige Informiertheit über die Nutzung dieses Preisalgorithmus durch die anderen Teilnehmer bedingt sein. Dabei ist die Wahl dieses Monitoringsystems gerade bei Vorliegen einer Vereinbarung zwischen den Wirtschaftssubjekten, ihrer Zusammenarbeit und beim gegenseitig bedingten Verhalten der Gesellschaften möglich.

  • Mithilfe der Z-Price-Funktionen wurden den Verkaufsstellen E-Mails über Verstöße gegen die durch den Benutzer des Preisalgorithmus festgelegten Preispolitik versendet;
  • Die Gesellschaften haben den Preisalgorithmus Z-Price gemeinsam benutzt (hatten gemeinsamen Zugang) und haben die Kosten seiner Nutzung durch die Mitbenutzer erstattet;
  • Die Vertragsmuster enthalten die Bestimmung: „1.1. Der Käufer verpflichtet sich, die Erzeugnisse zu Preisen, die nicht unter den durch den Verkäufer empfohlenen Preisen liegen, gemäß der gültigen Preisliste für die Erzeugnisse des Käufers im Einzelhandel zu verkaufen sowie die Einhaltung dieser Bedingung durch seine Großeinkäufer sicherzustellen...“

Obwohl die Handlungen der Gesellschaften – wegen der großen Anzahl der Teilnehmer des Marktes für orthopädische Erzeugnisse – nicht zur Festlegung und Aufrechterhaltung einheitlicher Preise geführt haben, weil die meisten Geschäftspartner die durch die Gesellschaften empfohlenen Preise nicht eingehalten haben, ist die Kommission des FAS Russlands zum Schluss gekommen, dass der Abschluss und die Abwicklung der wettbewerbswidrigen Vereinbarung durch die Gesellschaften zur Festlegung und Aufrechterhaltung von Preisen für orthopädische Erzeugnisse hätte führen können, und hat erklärt, dass die Gesellschaften gegen Punkt 1, Teil 1, Artikel 11 des Wettbewerbsschutzgesetzes [1] verstoßen haben- und eine Auflage über die Beendigung des Verstoßes erlassen [2]. Nach Auffassung des FAS Russlands gilt als Verstoß gegen das kartellrechtliche Verbot die Vereinbarung jeglicher Bedingungen, bei denen der Basispreis für den Käufer gemindert oder erhöht wird. Es ist anzumerken, dass gemäß Teil 1, Artikel 11 des Wettbewerbsschutzgesetzes ein Kartell eine Vereinbarung zwischen den Wettbewerbern (sowohl Verkäufern, als auch Käufern von Waren, Arbeitsergebnissen, Leistungen und anderen Objekten der Zivilrechte [3]) darstellt, die den Wettbewerb selbst durch ihren Abschluss einschränkt.

Erfolglose Anfechtung des Beschlusses des FAS Russlands vor Gericht

Die Gesellschaften haben den Beschluss des FAS Russlands über ihre Schuld am Verstoß gegen Punkt 1, Artikel 11 des Wettbewerbsschutzgesetzes angefochten. Die Arbitragegerichte der ersten [4] und zweiten [5] Instanz haben den FAS Russlands unterstützt und den Beschluss der Kontrollbehörde bestätigt.

Minderung des Umsatzbußgeldes im Gericht

Da festgestellt wurde, dass die Gesellschaften gegen Punkt 1, Teil 1, Artikel 11 des Wettbewerbsschutzgesetzes verstoßen haben, hat der Föderale Antimonopoldienst für die Gesellschaften Erlasse über die Verhängung von Umsatzbußgeldern in der Sache über die Ordnungswidrigkeit ausgestellt, für die eine Belangung gemäß Teil 1, Artikel 14.32 OWiG RF vorgesehen ist. Zum Beispiel wurde einer der Gesellschaften ein Bußgeld in Höhe von 3.642.394,30 Rubel (ca. 42.000 Euro [6]) auferlegt. Der Gesellschaft ist es auf dem Gerichtswege gelungen, das Bußgeld auf 1.500.000 Rubel (ca. 17.500 Euro) zu mindern [7].

Schlussfolgerungen  

Die Marktteilnehmer sollten von oben beschriebenen Handlungen absehen, und die Antimonopol-Compliance in ihren Unternehmen stärken (darunter die Kontrolle über die Bedingungen der abzuschließenden Verträge), um Umsatzbußgelder und lange Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu vermeiden.

___________________

[1] Föderales Gesetz Nr. 135-FZ „Über den Wettbewerbsschutz“ vom 26.07.2006.

[2] https://br.fas.gov.ru/ca/upravlenie-po-borbe-s-kartelyami/e656126b-d27c-4b0f-a3f2-6a9e08695f8b/?query=ООО «Экотен», ООО «Малтри», ООО «Орто», ООО «Тривес Трейд».

[3] Gemäß Teil 9, Artikel 11 des Wettbewerbsschutzgesetzes gelten die Anforderungen dieses Artikels nicht für die Vereinbarungen über die Gewährung und/oder Veräußerung des Nutzungsrechts an Geistigem Eigentum oder Individualisierungsmitteln einer juristischen Person, oder Individualisierungsmittel von Produkten, Arbeiten, Leistungen.

[4] Beschluss des Arbitragegerichts der Stadt Moskau vom 25. Mai 2021 in der Sache Nr. А40-158839/20-92-1143, https://kad.arbitr.ru/Document/Pdf/d33a87ff-5113-4349-84e2-860c2190fdd8/01913416-7dc9-4260-97ca-75c60fef2042/A40-158839-2020_20210525_Reshenija_i_postanovlenija.pdf?isAddStamp=True.

[5] Erlass des Neunten Arbitrageberufungsgerichts Nr. 09AP-39869/2021, Nr. 09АP-45524/2021, Nr. 09АP-45525/2021 vom 20. Juli 2021, https://kad.arbitr.ru/Document/Pdf/d33a87ff-5113-4349-84e2-860c2190fdd8/e42d6e91-1548-4ca7-8bc0-a70dccc065bf/A40-158839-2020_20210721_Postanovlenie_apelljacionnoj_instancii.pdf?isAddStamp=True.

[6] Zum Wechselkurs 86,30 Rubel/1 Euro.

[7] Beschluss des Arbitragegerichts der Stadt St. Petersburg und des Gebiets Leningrad vom 26. August 2021 in der Sache Nr. А56-49182/2021  https://kad.arbitr.ru/Document/Pdf/aecd872c-b95d-4510-8ab1-18e92f34568a/a9e53dd6-b837-4445-acb7-750caee84131/A56-49182-2021_20210826_Reshenie.pdf?isAddStamp=True.

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