Erweiterung EU-Liste nichtkooperativer Steuergebiete: Folgen für Russlandgeschäfte

Recht Russland Wirtschaft

Helge Masannek und Helena Grützner, Rödl & Partner

Durch Beschluss der EU-Mitgliedsstaaten wurden am 14.2.2023 vier neue Gebiete zur Liste nichtkooperativer Jurisdiktionen hinzugefügt. Hiervon betroffen sind neben Russland die Britischen Jungferninseln, Costa Rica und die Marshallinseln. Mit der Aufnahme auf die Liste sind für Geschäftsbeziehungen zu diesen Staaten eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, erweiterte Quellensteuerpflichten, ein Dividendenfreistellungs- und Betriebsausgabenabzugsverbot, gesteigerte Mitwirkungs- und DAC 6-Anzeigepflichten zu beachten.

EU-Liste und steuerliche Maßnahmenpakete

Gemeinsam mit den vier aufgezählten neu hinzugekommenen Gebieten umfasst die Liste des Rats der Europäischen Union über nichtkooperative Länder und Gebiete (EU-Liste oder „Schwarze Liste“) nun mehr 16 Steuerhoheitsgebiete:

  • Amerikanisch-Samoa,
  • Anguilla,
  • Bahamas,
  • Britische Jungferninseln,
  • Costa Rica,
  • Fidschi,
  • Guam,
  • Marshallinseln,
  • Palau,
  • Panama,
  • Russland,
  • Samoa,
  • Trinidad und Tobago,
  • Turks- und Caicosinseln,
  • Amerikanische Jungferninseln,

Die Schwarze Liste wird regelmäßig aktualisiert und umfasst solche Gebiete, die keinen hinreichenden Informationsaustausch in Steuersachen ermöglichen, unfairen Steuerwettbewerb betreiben oder die Mindeststandards des BEPS-Projekts der OECD/G20 nicht erfüllen. Mit der Aufnahme in die Liste sind die EU-Staaten angehalten, steuerliche Gegenmaßnahmen zu ergreifen und so Einfluss auf die Steuerpolitik der Gebiete zu nehmen.

In Deutschland sind diese Gegenmaßnahmen im Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) und in der Steueroasen-Abwehrverordnung (StAbwV) geregelt. Standen diese Vorschriften bislang eher nicht im Fokus der Steuerpflichtigen, da die Liste zumeist „Exotenländer“ enthält, dürften sie insbesondere durch die Aufnahme Russlands zu Relevanz kommen.

Kernmaßnahmen des StAbwG

Mit der Aufnahme von Staaten auf die Schwarze Liste ist das StAbwG noch nicht automatisch auf diese anwendbar. Zunächst muss die StAbwV geändert werden, auf die das StAbwG Bezug nimmt. Wird die StAbwV bis Ende 2023 angepasst, greifen die ersten Abwehrmaßnahmen grundsätzlich ab dem 1.1.2024. Im Einzelnen sieht das StAbwG folgende Abwehrmaßnahmen vor (inklusive möglicher erster Anwendungszeitpunkte für neu aufgenommene Gebiete):

  • Abzugsverbot für Aufwendungen, die aus Geschäftsvorgängen zu den betroffenen Gebieten resultieren (§ 8 StAbwG; frühestens anwendbar ab 1.1.2027);
  • Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung unabhängig vom Vorliegen passiver Ein-künfte iSd § 8 Abs. 1 AStG, die von einer im betroffenen Gebiet ansässigen Gesell-schaft erzielt werden und dort einer niedrigen Besteuerung unterliegen (§ 9 StAbwG, frühestens anwendbar ab 1.1.2024);
  • 15% ige Quellensteuer auch auf Einkünfte aus Dienstleistungen und Handel (§ 10 StAbwG, frühestens anwendbar ab 1.1.2024);
  • Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen unterliegen nicht § 8b KStG und sind daher voll steuerpflichtig (§ 11 StAbwG, frühestens anwendbar ab 1.1.2026).

Der Anwendungsbereich des StAbwG ist damit weit gefasst und betrifft sämtliche Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse mit Bezug zu einem nicht-kooperativen Gebiet (§ 7 StAbwG). Auch sog. „Dealings“ iSd § 1 Abs. 4 AO zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sind betroffen. Ziel des Gesetzes ist nicht nur das „Hochschleusen“ der im Ausland erzielten Gewinne auf das inländische Steuerniveau. Vielmehr werden wirtschaftliche Beziehungen zu diesen Gebieten insgesamt unattraktiv gemacht, wobei die Gefahr einer Doppelbesteuerung von Einkünften vom Gesetzgeber in Kauf genommen wird.

Begleitmaßnahmen und DAC 6-Anzeigepflichten

Wer vom StAbwG betroffen ist, dem werden auch umfangreiche Mitwirkungspflichten im Steuerverfahren auferlegt (§ 12 StAbwG). Für die relevanten Geschäftsvorfälle hat der Steuerpflichtige zahlreiche Aufzeichnungspflichten zu erfüllen und Verträge und Vereinbarungen vorzuhalten.

Weiter ist zu beachten, dass Transaktionen, bei denen der Zahlungsempfänger in einem Gebiet der Schwarzen Liste ansässig ist, unter das Kennzeichen C2 der DAC 6-Meldepflichten fällt. Unabhängig vom wirtschaftlichen Gehalt der Transaktion ist diese künftig als grenzüberschreitende Steuergestaltung stets dem Bundeszentralamt für Steuern mitzuteilen.

Fazit

Insbesondere Steuerpflichtige, die (noch) Geschäftsbeziehungen zu Russland unterhalten oder dort investiert sind, sollten dringend die Auswirkungen der Aufnahme Russlands auf die Schwarze Liste überprüfen. Möglicherweise lassen sich auf Grund der Anwendungsregelungen noch rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, bevor das harte Regime des StAbwG greift.

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