Gerichtliche Normenkontrolle über die behördliche Normsetzung

Recht Russland

Gegenwärtig wird die Normsetzungsfunktion in der Russischen Föderation nicht nur von gesetzgebenden Organen, sondern auch von föderalen Organen der Exekutive - Ministerien, Dienste und auf der innerbehördlichen Ebene Agenturen - ausgeübt, die entsprechend ihrer Zuständigkeit Normen mit unterschiedlicher Rechtskraft und unterschiedlichem Geltungsbereich erlassen.

Dabei entsprechen einige untergesetzliche normative Akte nicht der Gesetzgebung der Russischen Föderation, einige wurden unter Verletzung der Regeln, Techniken und Methoden der Rechtstechnik entwickelt. Deswegen führt das russische Justizministerium eine umfangreiche Arbeit zur Feststellung solcher untergesetzlichen normativen Akte durch, indem es Inspektionen in den föderalen Behörden durchführt, Beschwerden von Bürgern und Organisationen prüft und Anfragen an die zuständigen föderalen Behörden zur Vorlage solcher Akte zur rechtlichen Begutachtung sendet.

Im Rahmen dieser Tätigkeit nimmt das Justizministerium auch als interessierte Partei an Verfahren zur Anfechtung von normativen Rechtsakten und Akten, die Erläuterungen zur Gesetzgebung enthalten und normative Eigenschaften haben, vor dem Obersten Gericht der Russischen Föderation und dem Gericht für geistige Rechte teil.

In den letzten fünf Jahren haben die Gerichte über 300 Anträgen von Bürgern und Organisationen zur Anfechtung von normativen Rechtsakten und Akten, die Erläuterungen zur Gesetzgebung enthalten und normative Eigenschaften haben, entschieden, von denen über 170 stattgegeben wurde.

Die Gerichte stellen die Unvereinbarkeit von normativen Akten (einer Norm) mit der Gesetzgebung und somit ihre Ungültigkeit nach den folgenden zentralen Kriterien fest:

1) die Nichtdurchführung des staatlichen Registrierungsverfahrens beim russischen Justizministerium. Das Institut der staatlichen Registrierung von behördlichen normativen Akten ist in den Regeln für die Vorbereitung von normativen Rechtsakten für normative Rechtsakte der föderalen Exekutivorgane vorgesehen, die die Rechte, Freiheiten und Pflichten des Menschen und Bürgers betreffen, den Rechtsstatus von Organisationen festlegen oder einen behördenübergreifenden Charakter haben.

Nachdem die Gerichte einen solchen Verstoß festgestellt haben, erklären sie den angefochtenen Rechtsakt für ungültig ab dem Zeitpunkt seiner Verabschiedung.

2) Vorhandensein von Normen im Akt, die nicht den Anforderungen an Bestimmtheit, Klarheit und Eindeutigkeit entsprechen. Die Gerichte gehen u.a. von der Position des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation aus, dass der Inhalt des Prinzips der Rechtsbestimmtheit aus klaren, eindeutigen und verständlichen Rechtsvorgaben besteht, die es erstens den Rechtssubjekten ermöglichen, die Folgen ihres Verhaltens klar zu verstehen, und zweitens die notwendige Grundlage für die Umsetzung des Rechts, die Auslegung und die Rechtsanwendung schaffen.

3) unrichtiges Zitieren der Norm des Aktes mit höherer Rechtskraft.

Föderale Exekutivorgane, die bei der Ausarbeitung eines normativen Rechtsaktes die Norm eines Aktes mit höherer Rechtskraft zitieren, verändern manchmal die rechtliche Bedeutung der entlehnten Norm und führen dadurch die rechtliche Regelung bestimmter Rechtsverhältnisse ein, die in der Gesetzgebung der Russischen Föderation nicht vorgesehen ist.

4) die Auferlegung von Rechten und Pflichten auf Bürger und Organisationen, die nicht von der Gesetzgebung der Russischen Föderation vorgesehen sind.

Lücken in der gesetzlichen Regulierung werden ziemlich oft durch die Verabschiedung von untergesetzlichen Akten geschlossen. Dadurch erhalten die Rechtssubjekte Normen, die sie bei der Regelung des Rechtsverkehrs anleiten können. Der Mechanismus der untergesetzlichen Regulierung erzeugt neue verbindliche Verhaltensregeln, die in Ermangelung eines normativen Rechtsaktes mit höherer Rechtskraft faktisch zur einzigen und die höchste Rechtskraft habenden Quelle der Regulierung der öffentlichen Beziehungen werden. In der Praxis des russischen Justizministeriums sind die Fälle bekannt, in denen behördliche normative Akte u.a. die Fragen regeln, die ausschließlich Gegenstand eines Gesetzes, nicht eines behördlichen normativen Aktes sein sollten.

Dies betrifft u.a. verschiedene Arten von Briefen und anderen Akten dieser Art, die von föderalen Exekutivorganen erlassen werden und Erläuterungen zur Gesetzgebung enthalten, die formal keine normativen Rechtsakte sind, aber tatsächlich normative Eigenschaften haben (z.B. Briefe, Anordnungen von Ministerien, Behörden, der Zentralbank Russlands, staatlichen außerbudgetären Fonds usw.).

Quelle: Babchenko, Kuznetsov, Die behördliche Normsetzung und die gerichtliche Normkontrolle in Russland: Praktische Aspekte (rus.), Zakon (Statute) Nr. 11, 2019, 172-178.

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