Konferenz des Gaidar-Naumann Forums 2015 in Berlin

Politik Russland Wirtschaft

Am 26.11.2015 in Berlin hat das zweite Gaidar-Naumann-Forum zum Thema „Deutsch-Russische Beziehungen unter geänderten Vorzeichen – Wirtschaftskooperation in Zeiten von Sanktionen und neuen Allianzen” mit hochkarätigen Gästen stattgefunden. Veranstalter des Forums sind die Yegor-Gaidar-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und das Deutsch-Russische Forum.

Der folgende Bericht fasst die wesentlichsten Aspekte der gehaltenen Vorträge zusammen.

A. Eröffnung und Grußworte

In seiner Einführung erwähnte Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué, stv. Vorsitzende des Vorstandes der Fridrich-Naumann-Stiftung, dass das Völkerrecht durch Russland (Anschluss der Krim sowie Aggression in Donbass) schwer verletzt worden sei, was die Einführung der westlichen Sanktionen und die Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen zur Folge gehabt hätte, die jetzt in ihrem Tiefpunkt befänden. Insbesondere seien Konsequenzen in den wirtschaftlichen Beziehungen zu spüren. Der deutsch-russischer Außenhandel sei  im Jahr 2015 im Vergleich zum Jahr 2014 um ca. 35 % zurückgegangen. Herr Prof. Paqué hat in diesem Zusammenhang  hingewiesen, dass  die Zusammenarbeit nicht um jeden Preis möglich sei. Russland mit seiner Aggression gegen die Ukraine befinde sich außerhalb europäischer Werte.

Der Vorsitzende des Vorstands der Yegor-Gaidar-Stiftung Herr Boris Mints ging auf die Priorität der Politik über die Wirtschaft ein. Es sei wichtig zu verstehen, inwieweit die Politik die wirtschaftlichen Notwendigkeiten dominiere. Für Unternehmer sei die Ungewissheit das schlimmste. Diese führe schnell zur Erlahmung wirtschaftlicher Aktivitäten. Mit der aktuellen Lage seien weder in Russland noch in Deutschland zufrieden. Herr Mints schlug vor, gemeinsame Punkte zu finden, von denen die gemeinsame Bewegung nach vorne möglich sein könne.

Der Vorsitzende des Vorstandes der Yegor-Gaidar-Stiftung Herr Dr. Ernst-Jörg von Studnitz  war erfreut, dass die Konferenz 2015 überhaupt stattfinde, nachdem im Jahr 2014 die Konferenz aus politischen Gründen unmöglich gewesen sei.  Nach Meinung Herrn von Studnitz sei ein großer Fehler gewesen, Gespräche (NATO-Russland, EU-Russland) zum Höhepunkt der Krise einzustellen. Solche Gesprächsplattformen seien in erster Linie und gerade für Krisenzeiten vorgesehen. Russland denke anders als der Westen, sodass es umso wichtiger sei, dass man gemeinsam redet.

B. Panel 1: „Der Dialog zwischen der EU und EAWU – Nutzlos oder einen Versuch wert?“

Podiumsgäste im 1. Panel waren Dr. Anatoly Chubais, Ko-Vorsitzender des Industrie-Rundtischs EU-Russland,  Prof. Dr. Sergey Dubinin, Mitglied des Aufsichtsrats VTB Bank, Michael Harms, Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer und Gunar Wiegand, Direktor für Russland, Östliche Partnerschaft, Zentralasien und OECD des Europäischen Auswärtigen Diensts.

Herr Chubais wies darauf hin, dass sich die russisch-europäische Beziehungen im tiefsten Punkt seit den letzten 25 Jahren befinden. Es gebe außerdem sowohl in der EU als auch in Russland ein Teil der Eliten, die keinen Kompromiss suchen wollten. Dies sei nicht normal. In Zukunft würden die Beziehungen nicht mehr so sein, wie in den letzten 25 Jahren. Denn Russland sei von der gleichberechtigten Partnerschaft ausgegangen. Der Westen habe sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, dass Russland nach westlichen Grundsätzen zu leben habe. Der letzte Tropfen für Russland sei die Erweiterung der NATO gewesen, insbesondere inakzeptabel der Versuch der Aufnahme von Georgien und der Ukraine.

Des Weiteren ging Herr Chubais auf die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) ein. Nach Einschätzung von Herrn Chubais handele es sich um eine seriöse Wirtschaftsorganisation, die die reale Regulierung, insbesondere die Unifikation der Zollgesetzgebung hat. Dies habe große Wirkung auf den Warenverkehr. Die EAWU sei bereits ein globaler Faktor der Neugestaltung der Weltwirtschaft. In der EAWU gebe es jedoch noch Probleme, so z.B. die unterschiedliche Marktentwicklung in Russland, Kasachstan und Weißrussland.  Die gemeinsame Währung werde in der kurzen Perspektive nicht diskutiert.

Bzgl. der russischen Wirtschaft sagte Herr Chubais, dass sie sich im Jahr 2015 in einer Krise befinde. Gründe dafür seien westliche Sanktionen sowie gesunkene Ölpreise, wobei die Ölpreise der wichtigere Faktor sei. Im Jahr 2016 erwarte Herr Chubais ein Wachstum um 0,5-1 %, was allerdings zu wenig für Russland sei. "Driver" seien dafür der Rubelkurs sowie der in diesem Zusammenhang entwickelnde Importersatz und Exportwachstum. Im Jahr 2017 werde in Russland der Stabilisationsfonds erschöpft sein und Russland werde die Finanzierung im Ausland suchen müssen. Dies sei allerdings für Russland nicht problematisch, da sich die russischen Auslandsschulden nur auf 10 % des Haushalts beliefen. Herr Chubais sieht keine Wirtschaftskatastrophe auf Russland zurollen. Die Hauptherausforderung für Russland sei das Wachstum von 3 % zu erreichen.

Zum Schluss zog Herr Chubais kurz folgendes Fazit: die Wirtschaft Russlands und der EU bleiben immer komplementär. Jede Widerhandlung sei gegen die nationalen Interessen Russlands und der EU. Russland sei ein europäischer Staat, was ein Faktor der Annäherung sei. Der andere Faktor der Annäherung in den nächsten Jahrzehnten sei ein gemeinsamer Feind, der Islamische Staat. Der Terroranschlag in Paris sei ein strategischer Faktor der Zusammenarbeit, der bei der Ausarbeitung der Basis halfen solle.  Die Ukrainekrise sei ein Nachspiel des alten (kalten) Kriegs.

Auf eine Frage aus dem Saal bzgl. der Wirtschaftslage in der Ukraine bemerkte Herr Chubais, dass die Ukraine geringe Chancen habe, die Staatspleite zu vermeiden. Hier sei wichtig, dass die EU und Russland gemeinsam konstruktiv wirkten. Denn weder die Ukraine noch die EU könnten allein das Problem lösen. Die EU soll bereits jetzt daran denken.

Nach Einschätzung von Herrn Harms ist die EAWU ein ernstzunehmendes und  fortgeschrittenes Projekt. Die EAWU sei nicht nur für Russland, sondern für alle Länder der Union profitabel. Des Weiteren ging Herr Harms auf den gemeinsamen Wirtschaftsraum bis Wladiwostok ein. Das Projekt sei in der kurzen und mittelfristigen Perspektive nicht realisierbar. Denn die Zollabschaffung zwischen der EU und Russland werde ein großes Problem für die russische Industrie.

Herr Prof. Dubinin wies darauf hin, dass die Gespräche zwischen der EU und der EAWU unerlässlich seien.

Herr Wiegand sprach auf die Notwendigkeit der Umsetzung des Minsker Abkommen an. Erst dann werde man in der EU zu Beschlüssen bzgl. der Sanktionen gegen Russland kommen können. Herr Wiegand betonte, dass die EU fundamentales Interesse an Russland und seiner Wirtschaftsintegration habe.

C. Panel 2: „Auswirkungen von Sanktionen und Handelsunionen auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft in Russland und Deutschland”.

Podiumsgäste im 2. Panel waren Prof. Dr. Evgeny Gontmakher, stv. Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften, Dr. Andreas Knaul, Managing Partner Rödl & Partner OOO, Prof. Dr.  Andreas Pinkwart, Rektor der Handelshochschule Leipzig und ehemaliger stellvertretender Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.  

Herr Prof. Pinkwart wies auf die Notwendigkeit hin, im Gespräch mit allen Beteiligten zu bleiben. Außerdem sei es nicht im Interesse der EU, dass sich Russland in eine strukturelle Krise gerate. Nach Meinung von Herrn Prof. Pinkwart solle die russische Wirtschaft offen bleiben. Russland brauche Dezentralisierung, mehr Mittelstand. Es brauche jedoch nicht nur wirtschaftliche und politische Reformen, sondern auch einen kulturellen Wandel. Die EU solle da ansetzen. Hier sei ein Potenzial, dem Land zu helfen sich zusammenfinden. Dies liege im wirtschaftlichen Interesse der EU. Die EU könne sich nicht leisten, außen vor zu bleiben. Man müsse schrittweise daran arbeiten.  Die EU solle Russland jedoch nicht als Problem, sondern als Teil der Lösung betrachten.  

Nach Einschätzung von Herrn Knaul betrage der gesunkene Ölpreis ca. 90 % an der aktuellen Krise in Russland, die Sanktionen – nur 10 %. In Russland sei zurzeit keine Hexenjagd auf ausländische Unternehmen, keine Benachteiligung durch russische Behörden zu verzeichnen. Außerdem sei für die deutschen Unternehmen der Preisfall in Russland nützlich. Des Weiteren ging Herr Knaul auf die Importersatzpolitik Russlands ein. Russische Politiker haben Illusionen, dass Russland der Weltmarktführer in vielen industriellen Bereichen werden kann. Richtig sei nur die Kooperation. Rein russische Unternehmen schafften dies nicht. Eine Chance für Russland sieht Herr Knaul aber in der Landwirtschaft,  Petrolchemie und Rüstungsindustrie.

Herr Prof. Gontmakher sagte, dass Russland im Jahr 2013 ein BIP-Wachstum von 1,3 % hatte, sodass weder die westlichen Sanktionen noch die Ölpreissenkung Gründe für die Wirtschaftskrise gewesen seien. Problem sei System der Wirtschaft. Russland brauche ein Wachstum von mindestens 5 %, was jedoch in der kurzen Perspektive nicht erreichbar sei. Es seien Investitionen, Vertrauen Europas erforderlich. Der Importersatz sei keine Lösung. Der billige Rubel sei auch kein Faktor des Wirtschaftswachstums.  Russland brauche die Modernisierung sowie die Entwicklung des Mittelstandes. Nach Meinung von Prof. Gontmakher seien für die Modernisierung Reform der staatlichen Verwaltung (Dezentralisierung), Aktivierung der Unternehmensvereinigungen, Deregulierung der Zivilgesellschaft, Justizreform. Erst dann bzw. zusammen damit könne man wirklich die Wirtschaft reformieren.  Wichtig seien Kommunikation, Studentenaustausch, Diskussionen.

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